Falschspielerbanden in Kuala Lumpur
Während meines Stopovers in Kuala Lumpur (Malaysia) bin ich auf Falschspielerbanden reingefallen und verlor viel Geld. Hier berichte ich ausführlich, wie es dazu kam:
An meinem 2. Tag in Kuala Lumpur, als ich gemütlich durch die Strassen von Chinatown in Kuala Lumpur schlenderte, sprachen mich plötzlich 2 junge malaysische Frauen auf mein Nasenpiercing an. Sie fragten mich, ob ich es in Indien stechen liess und von wo ich denn komme. Ohne zu Überlegen sagte ich die Wahrheit. Darauf reagierten sie sehr erfreut und antworteten, dass ihre Schwester nächsten Monat als Krankenschwester in die Schweiz arbeiten geht, genauer gesagt nach Zürich und Genf. Sie quetschten mich über die Schweiz und das Leben in meiner Heimat aus. Die beiden Frauen waren sehr freundlich, fröhlich und machten einen auf „Freundinnen sein“. Nach einer Weile luden sie mich zu sich nach Hause zum Abendessen ein, damit ich ihrer Schwester meine Ratschläge persönlich mitteilen kann. Anfangs reagierte ich zurückhaltend und wollte die Einladung nicht annehmen. Doch sie redeten so lange auf mich ein und probierten das ganze zu verharmlosen bis ich zusagte. Ich dachte, so schlimm kann dies doch nicht sein, denn schliesslich sind es ja Frauen, die ausserdem kaum älter sind als ich. Das war ein grosser Fehler.
Irgendwo in einem nobleren Wohnquartier in Kuala Lumpur besassen sie ein ziemlich schönes Haus. Mir wurde zwar eine „Schwester“ vorgestellt, aber mit der durfte ich kaum ein Wort wechseln. Dafür begrüsste mich sofort ihr „Onkel“, der jedoch überhaupt nicht wie ihr Onkel aussah (Die Frauen sahen aus wie Malay und er eher wie ein Inder). Die Frauen bedienten mich mit Drinks und Snacks und rückten in den Hintergrund. Der Onkel und ich diskutierten ein wenig über belangloses Zeugs bis wir auf unsere Berufe zu sprechen kamen. Er erzählte, dass er in Casinos arbeitete und schon in verschiedenen Ländern war. Ich probierte einigermassen interessiert drein zu gucken, doch eigentlich kam ich ja zu ihnen, um mit der Schwester über die Schweiz zu sprechen. Casinos und Glückspiele interessierten mich überhaupt nicht. Er sagte mir, dass er wisse wie man die Spieler um ihr Geld betrügen kann, wenn ein Bekannter von ihm zu ihm spielen kommt. Ich solle doch auch mal kommen und dann können wir den Gewinn teilen, wenn er das nächste Mal in der Schweiz arbeitet. Ich dachte nur: „Ja, ja, das wird sowieso nie passieren“. Der Onkel fragte mich, ob ich Blackjack spielen könne und reagierte entsetzt, als er erfuhr, dass ich die Regeln nicht kenne (habe zwar auch schon gespielt, doch ich wollte mit dieser Antwort versuchen dieses Thema zu beenden). Daraufhin überredete er mich, dass er mir die Regeln erklärt. Das war ein weiterer dummer Fehler von mir.
Geduldig brachte der Onkel mir die Blackjack Regeln bei. Sobald ich sie verstand, erklärte er mir, wie man den anderen Spieler betrügen kann indem er mir die Karten oder anhand seinen Fingern die Kartenzahl kurz zeigte. Die jüngere der beiden Frauen sass die ganze Zeit neben mir und leistete mir Gesellschaft. Dann schlug der Onkel mir vor, dass ich doch gegen einen reichen Geschäftsmann aus Brunei spielen soll, der am vorherigen Tag viel Geld im Casino gewann und jetzt Lust habe im privaten Rahmen zu spielen. Er fragte mich auch, wie viel Geld ich dabei hätte. Ich antwortete, dass ich nur einige Kleinnoten habe, was der Wahrheit entsprach. Die Kreditkarte hatte ich im Hostel gelassen, da ich hörte, dass Kreditkartenbetrug in Malaysia weit verbreitet ist. Der Onkel schlug mir vor, dass er mir USD 200.- vorschiesst und da wir ja sowieso gewinnen werden, könnten wir den Gewinn teilen und so ginge sein Geld auch nicht verloren. Ich lehnte ab. Das war mir wirklich ungeheuer und vor allem wollte ich nie bei Glücksspielen mitmachen, erst recht nicht, wenn es sich um einen Betrug handelt. Die Frau lenkte mich ein wenig ab indem sie mir lustige Geschichten erzählte und mich zum Lachen brachte, als auf einmal die Türe aufging und der Geschäftsmann aus Brunei in einem edel aussehenden weissen Anzug da stand. Er nahm Geldscheine im Wert von USD 70'000.- aus seinem Koffer. Ich denke, ich wurde ganz bleich im Gesicht als ich ihn erblickte. Fühlte mich überhaupt nicht mehr wohl in meiner Haut. Meine Hände zitterten während ich die Karten hielt. Die Frau half mir beim Spielen. Natürlich gewannen wir fast immer wegen den Tricks. Darum wurde aus meinem anfänglichen Einsatz von 200.- immer mehr. Beim letzten Spiel hat sie mich sogar überredet auf 70'000.- zu erhöhen, weil klar war, dass ich mit meiner Karte sowieso gewann. Ich konnte mich gar nicht dagegen wehren. Nun wollte der Typ aus Brunei Geld von mir sehen. Da wir um eine solch hohe Summe spielten, verlangte er von mir, dass ich ihm genügend Geld zeige, sollte ich verlieren.
Der Onkel und die Frau sprachen lange auf mich und überredeten mich schlussendlich, dass sie mich ins Hostel begleiten um meine Kreditkarte zu holen und Geld in der Bank abzuheben. Ich sagte ihnen sofort, dass ich nicht viel Geld von der Bank bekomme, da ich eine Limite habe. Ich hoffte, dass sie so aufgeben würden, was jedoch leider nicht geschah. Sie kamen mit Argumenten wie, dass ich sie jetzt nicht im Stich lassen soll, dass wir den Gewinn ja teilen, dass sie sich auch anstrengen um an Geld zu gelangen und einige hundert Dollar würden ja schon reichen. Es würde um den guten Willen gehen damit der Geschäftsmann sieht, dass immerhin ein wenig Bargeld da ist. Natürlich war ich voll dagegen, doch was konnte ich tun? Ich hatte leider keine Chance mich gegen sie durchzusetzen. Ihre Art war nicht aufdringlich, sondern sehr nett und intelligent. Daraufhin sind mir zum Hostel gegangen. Eigentlich wäre das der perfekte Moment gewesen um auszusteigen. Doch ich hatte Angst, was die Konsequenzen wären, wenn ich einfach nicht mehr mitmache. Denn ganz am Anfang, als sie vorgaben mit mir befreundet sein zu wollen, tauschten wir Telefonnummern und E-Mail Adressen aus und sie wussten ja auch, wo ich übernachtete. In der Bank rettete mich meine Kartenlimite, denn ich erhielt „nur“ umgerechnet einige hundert Franken. Daraufhin sind wir zu einem Shoppingcenter gefahren. Warum, erklärten sie mir erst unterwegs. Sie wollten noch versuchen Gold zu kaufen. Wir waren lange unterwegs, denn der Verkehr in Kuala Lumpur ist katastrophal. Sobald ich ein wenig aus dem Fenster schaute, fingen die Frauen sofort wieder an mit mir zu reden um mich irgendwie zu beschäftigen und abzulenken. Die ältere Frau erzählte, dass sie ein Kind hätte, aber vom Mann getrennt sei und auch ihr Babygeld holen wird um uns zu helfen. Ich sagte, dass ich müde sei, doch sie liessen mich nicht in Ruhe. In Wirklichkeit war ich nicht müde, sondern todmüde, nervös, aufgebracht und wütend, wütend auf diese Leute und auf mich selber. Langsam wurde mir bewusst in was für Probleme ich mich da gebracht habe. Ich war so dumm und leichtgläubig.
Die Frauen unterhielten sich mit dem Goldverkäufer in Malay (Bahasa). Da hatte ich genug. Ich sagte, dass sie Englisch sprechen sollen und er mir meine Kreditkarte unverzüglich wieder geben soll, was er auch machte. Die ältere von den beiden Frauen war daraufhin ein wenig sauer, doch die jüngere meinte, dass alles in Ordnung sei und ich hätte mein bestes probiert an Geld zu gelangen.
Im Auto erklärten sie mir, wie der Onkel weiter vorgehen wolle und zwar benötigt er mein Geld um bei der Bank einen Kredit von mehreren tausend Dollar zu erhalten. Ich sagte, dass ich mitkommen wolle zur Bank. Doch die Frauen kämpften dagegen an und schlussendlich gab ich ihnen mein Geld ohne mitzugehen. Der Hauptgrund meines Nachgebens war die Angst, denn ich befand mich in ihrem Auto irgendwo in Kuala Lumpur und das Geld war es mir nicht wert irgendein Risiko einzugehen. Ich wollte einfach nur nach Hause und in Sicherheit sein. Das komische war, dass sie nicht den ganzen Betrag wollten und sie gaben mir sogar noch Kleingeld für das ich sie später anrufen kann. Sie wollten das Spiel zu einem späteren Zeitpunkt beenden.
Angekommen im Hostel, ganz und gesund, aber um ein paar hundert Franken leichter, fiel alles in mir zusammen. Ich habe einfach losgeheult. Ich regte mich wegen meiner Leichtsinnigkeit und Blödheit auf und dass ich so viel Geld verloren hatte. Auf der anderen Seite war ich unheimlich froh, dass sich der Schaden „nur“ aufs Geld beschränkt. Geld ist ersetzbar, doch mein Leben nicht. Einige meiner Zimmergenossinnen haben mich getröstet und von ihren Erfahrungen auf Reisen berichtet. Das hat gut getan. Es kamen keine Vorwürfe, dass ich ja so blöd sei und dass vor meinem Erlebnis im Reiseführer gewarnt wird. Ich habe die Reisehinweise des EDA gelesen und auf alles geachtet. Aber die Falschspielerbanden habe ich völlig vergessen in diesem Moment. Es ist schade, dass meine Reise so zu Ende ging. Doch wie gesagt, bin ich auch unheimlich froh, dass ich so viel Glück hatte. Am nächsten Tag besuchte ich die Schweizer Botschaft um den Vorfall zu melden. Sie sagten, dass ich keine Angst haben müsse, denn diese Leute seien nicht gefährlich. Also, sie seien nur hinter dem Geld her und würden die Touristen normalerweise nicht bedrohen und verletzen oder sogar umbringen. Mein Schaden hielt sich in ihren Augen sehr gering, denn ein anderer Schweizer habe auf diese Weise sogar Fr 10'000.- verloren.
Ich will mit meinem Bericht niemandem Angst machen und davon abhalten Malaysia zu bereisen. Kuala Lumpur ist ein Besuch wert. Ich möchte nur, dass so viele Reisende wie möglich erfahren wie ein solcher Betrug abläuft und wie schnell man drin ist und nicht mehr so leicht abhauen kann. Diese Leute sind wirklich sehr geschickt und wissen haargenau wie sie die Touristen um den Finger wickeln müssen. Wenn mich jetzt ein Mann angemacht hätte, hätte ich nicht ein Gespräch mit ihm angefangen. Aber bei Frauen hatte ich als allein reisende Backpackerin weniger Bedenken. Ich hätte während so vielen Momenten skeptisch werden sollen, z.B. dass ihre Schwester in Zürich (deutsch sprechend) und Genf (französisch sprechend) arbeiten wird, dass die Frauen alle Backpacker Hostels in Chinatown kannten, dass der Geschäftsmann aus Brunei so schnell auftauchte und viele andere Sachen. Zum Verhängnis wurde mir auch ein bisschen, dass ich vorher 6 Monate in Australien war. Dort lief alles so locker und man freundete sich rasch mit jemandem an oder schloss sich einer Gruppe an. Ausserdem berichteten mir Backpacker, die schon Malaysia bereist hatten, dass sie nur gute Erfahrungen mit Einheimischen machten. Dadurch war mein Gefühl für Gefahr viel schwächer und ich konnte mich innerlich nicht so schnell von Australien auf Malaysia einstellen. Aber ja, auf einer Reise kann auch etwas schief gehen. Das gehört dazu. Ich werde Südostasien auf jeden Fall wieder bereisen. Die Freude am Reisen und mein Fernweh kann mir keiner nehmen. An alle zukünftigen Malaysia-Reisenden: Geniesst die Zeit in diesem schönen Land. Doch bitte, seid vorsichtig und nicht so leichtgläubig wie ich!