Sonntag, Oktober 22, 2006

Brasilianische Nacht

Ach ja, habe ja gar nicht erzaehlt was ich am Freitag Abend gemacht habe:
Zuerst gingen wir (Lucas und seine Freundin Natalia, Thiago und ein anderer Freund) nach Rio Vermelho, wo man sehr gut Acaraje essen kann. Dies ein typisches Gericht der afro-brasilianischen Kueche. Es handelt sich um in Dende-Oel ausgebackene, krokettenartige Baellchen aus gemahlenen Bohnen mit Gewuerzen. Dazu gibt es noch Krabben. Acarajé wird meistens an Straßenstaenden zubereitet und als Snack zum Mitnehmen verkauft. Sehr fein, unbedingt ausprobieren, wenn man in Salvador ist. Aber aufpassen, dass es hygienisch zubereitet wurde und nicht zu scharf ist, denn nicht alle Touristen vertragen es.
Danach gingen wir an eine Party, wo Forro getanzt wurde. Alle wollten mir die einfachen Tanzschritte beibringen, egal ob Mann oder Frau. Sie gaben sich so Muehe, aber ich bin wahrscheinlich ein hoffnungsloser Fall, wenn es ums Tanzen geht. Ich habe den Rhythmus einfach nicht im Blut. Ich wurde allen Bekannten und Freunden vorgestellt. Alle wollten mich kennen lernen um mich ueber die Schweiz auszufragen oder um mir ihre Stadt zu zeigen. Auch am Telefon erwaehnten meine Freunde immer, dass sie mit Carmen, ihrer Freundin aus der Schweiz unterwegs sind. Meistens erzaehlen sie auch, dass ich zwar kaum Portugiesisch spreche, aber dafuer Schweizerdeutsch, Deutsch, Franzoesisch und Englisch. Wenn dann alle staunen, sind sie stolz auf mich.
Ich war froh, dass mich die brasilianischen Maenner mehr oder weniger in Ruhe liessen, ausser wenn auch Interesse meinerseits bestand ;-) . Hier ist es ueblich, dass man sich schon nach einigen Minuten kuesst und sich nicht zuerst kennen lernt. Manchmal macht man unter Freunden sogar Wettbewerbe, wer in einer Nacht am meisten Frauen / Maenner kuesst. Es gibt in Salvador eine Disko, wo man ein gruenes, oranges oder rotes Baendchen bekommt: Rot = Du hast ein Partner und willst in Ruhe gelassen werden, Orange = Zuerst reden und dann kuessen, Gruen = Man darf sofort losknutschen. Da verstehe ich schon, dass Brasilianer/innen eifersuechtig sind und ihre Partner lieber nicht alleine in den Ausgang gehen lassen wollen. Leider habe ich aber in Australien keinen Brasilianer getroffen, der seiner daheimgebliebenen Freundin auch treu blieb.

Verregnetes Wochenende

Wer denkt, dass in Brasilien immer die Sonne scheint, ist komplett falsch. Meine Wochenendplaene fielen ins Wasser, weil es die meiste Zeit in Kuebeln goss. Vorgesehen war, dass die Schule am Samstag einen Ausflug zur Insel Itaparica organisiert und am Sonntag mit Lucas und seinen Freunden zum Sommerhaus seines Vater zu fahren. Leider wurde daraus nichts. Am Samstag Morgen regnete es so stark, dass ich unterwegs zur Schule zum Teil fast bis zu den Knien im Wasser war. Das Wasser kann auf den Strassen einfach nirgends abfliessen und so sind gewisse Strassenabschnitte und Loecher schnell ueberflutet. Nach einem morgendlichen Kaffee mit Schulfreunden, fuhr ich mit dem Bus zum Shoppingcenter Iguatemi um Lucas und Thiago zu treffen. Eine Busfahrt in Salvador ist ein kleines Abenteuer. Man muss bei der hinteren Tuere einsteigen und dann das Ticket kaufen. Dabei sollte man aufpassen und sich festhalten, denn sonst faellt man rueckwaerts aus dem Bus. Der Bus faehrt immer sehr ruckartig los und die Tueren werden erst spaeter geschlossen. Man wird auf einer Busfahrt ziemlich durchgeschuettelt und sobald es ein bisschen bergauf geht, waere manch Fahrradfahrer schneller. Obwohl es nicht sehr bequem ist mit dem Bus unterwegs zu sein, finde ich es doch ziemlich interessant, denn man faehrt durch Gebiete, die man sonst nicht sieht. Es ist einfach abzuraten, nachts die oeffentlichen Verkehrsmittel zu benuetzen und man sollte nicht in den Slums aussteigen.
Wie es hier so ueblich ist, musste ich im Shoppingcenter fast eine Stunde auf meine Freunde warten. Danach berieten mich meine Brasileiros beim Kleider kaufen. Das Shoppingcenter Iguatemi ist ein Shoppingparadies, denn es ist so riesig. Man kann alles moegliche kaufen und es gibt unzaehlige Verpflegungsmoeglichkeiten und Kinos. Die Preise varieren zwischen billig und unbezahlbar (auch fuer mich als Schweizerin).
Danach fuhren wir zu Thiagos Haus. Unterwegs hielten wir an um zu tanken. Hier tankt man sein Auto nicht selber, weil es ist extra jemand bei der Tankstelle dafuer angestellt. Es ueberrascht mich immer wieder, was es hier fuer Jobs gibt. Z.T. bedient jemand den ganzen Tag lang den Lift, der in Salvador die Unterstadt mit der Altstadt verbindet. Im Supermarkt steht jemand am Ende der Kasse und packt die Lebensmittel in eine Plastiktasche. Am Strand verkaufen unzaehlige Leute Mahlzeiten, Drinks, Kleider, CDs oder bieten Stuehle an. Kinder sammeln den Muehl auf oder spritzen den Strandbesuchern beim Heimgehen mit einer Giesskanne den Sand von den Fuessen ab. Sobald man auf der Strasse mit dem Auto anhaelt, kommen junge Maenner angelaufen und wollen das Auto putzen oder etwas verkaufen. Einmal half uns einer beim Einparken und verlangte nachher Geld dafuer. Aus Angst dass das Auto zerkratzt oder sonstwie beschaedigt wird, werden die 2 Reais (ca. CHF 1,00) bezahlt.
Thiago wohnt ein bisschen ausserhalb der Stadt in einem Village (Wohnquartier hinter Mauern fuer die reicheren Brasilianern). Natuerlich wurde das Eingangstor auch von jemanden bedient. Ich staunte nicht schlecht, wie luxurioes Thiago wohnt: In einer Villa mit Pool, Grillplatz, 2 Wohnzimmern, Kueche und 3 Schlafzimmern mit jeweils einem Badezimmer, PC und TV. Nicht zu vergessen das kleine Haeusschen nebendran fuer das Dienstmaedchen. Das Haus war sehr gemuetlich und mit viel Schnigschnag eingerichtet. Meine Freunde erklaerten, dass die Haeuser hier ziemlich billig sind... und dass es noch groessere und schoenere gibt als dieses.
Am Sonntag war es immer noch bevoelkt und recht kalt (23 Grad). Gelegentlich regnete es. Trotzdem zeigten sie mir die wunderschoenen Straende in und um Itapua herum (ok, bei schlechten Wetter waren sie weniger schoen). Ausserdem gingen wir kurz Bikinis anschauen. Natalia und Danielle (Freundin von Lucas und ihre Freundin) erklaerten mir, welche Bikinis in Brasilien normal sind und ich probierte einige. Ich koennte grad so gut nichts anziehen, so mini sind sie. Hier stellt man seinen Koerper gerne zur Schau und tut sehr viel fuer seine Schoenheit. Ich entschied mich gegen einen Kauf, weil ich bin zu gehemmt so an den Strand zu gehen und in der Schweiz wuerde ich mit einem solchen Bikini nur schraeg angeschaut und belaestigt werden.

Mittwoch, Oktober 18, 2006

Wenn eine Schweizerin eine Verabredung mit Brasilianern hat...

... dann kann dies fuer eine Schweizerin zu einer Herausforderung werden... und zu einer Geduldsprobe!
Aus meiner Zeit in Australien weiss ich schon, dass die Brasilianer die Puenktlichkeit nicht so genau nehmen. Damit habe ich schon gerechnet. Doch dies ist nicht alles. Ich staunte nicht schlecht, wie schnell eine Verabredung hier abgesagt und verschoben wird und wie sich die entsprechenden Gruende aendern.
Z.B Lucas sprach schon lange davon, dass er am vergangenen Freitag frei nehmen will fuer mich. Daraus wurde nichts. Ausserdem meinte er, dass er das ganze Wochenende keine Zeit hat. Ok, kein Problem. Samstag Morgen frueh weckte mich das Telefon und er verkuendete mir, dass er in 40 Minuten vor meiner Tuer stehen wird, da wir ja eine Verabredung haben. He, welche Verabredung? Wusste nichts davon, aber ist ja egal. Hauptsache wir konnten uns treffen. Danach verabredeten wir uns fuer am Dienstag. Doch wie es hier so ueblich ist, kam ihm etwas dazwischen, naemlich ein Vorstellungsgespraech. Er schlug mir vor, dass ich seinen Freund treffen kann. Dieser Freund holte mich mit 15 Minuten Verspaetung bei der Schule ab. Natuerlich mit vielen Entschuldigungen und einem unwiderstehlichem Charme und Laecheln, so dass ich ihm sofort vergab. Wir fuhren in ein riesiges Shopping Center und traffen Lucas dort. Ploetzlich war von einem Vorstellungsgespraech keine Rede mehr und er wunderte sich, dass ich wegen einer anderen Verabredung nicht so viel Zeit fuer sie hatte. Dann machte er den Vorschlag, dass wir uns am naechsten Tag treffen, wenn er ein Auto hat. Doch er sagte mir kurzfristig ab, weil auf einmal eine Freundin eine Geburtstagsparty gibt.
Ich denke, genauso wird es die naechsten Tage weitergehen und ich muss mich daran gewoehnen. Dieses Verhalten, das fuer Schweizer unhoeflich und enttaeuschend sein kann, gehoert hier zum Alltag. Die Brasilianer leben in den Tag hinein und im Laufe des Tages aendert sich ihr Vorhaben staendig. Es sind eben nicht alle Kulturen so engstirning und organisiert wie wir. Nur waere ich manchmal schon froh, wenn man auf ihre Worte zaehlen koennte. Vor allem, weil ich ja nur eine begrenzte Zeit zu Verfuegung habe und bald abreisen werde.

Samstag, Oktober 14, 2006

Erste Eindrücke aus Brasilien

Wie es meistens so ist auf einer Reise, erlebt man während den ersten Tagen viel Neues und Aufregendes. Genauso ergeht es mir hier in Brasilien. Ich kann meine Gefühle und Eindrücke kaum in Worte fassen. Bin durcheinander und mein Herz fährt Achterbahn. Aber es geht mir gut.
Den Flug habe ich gut überstanden. Via Paris und São Paolo flog ich nach Salvador. Im Nachhinein bin ich froh, dass die Wartezeit für den Anschlussflug nach Salvador etwa 4 Stunden betrug. Musste nur schon eine Stunde aufwenden um durch die Passkontrolle zu kommen. Danach das Gepäck in Empfang nehmen, durch den Zoll bringen und nochmals fast eine Stunde beim Check-in warten. Amüsant fand ich es, dass alle Brasilianer sehr hilfsbereit waren, egal ob sie die richtige Auskunft wussten oder nicht. Ich musste mehrmals nachfragen um an mein Ziel zu gelangen, denn jeder gab mir eine andere Antwort.
Am Flughafen in Salvador wurde ich von jemanden von der Sprachschule abgeholt. Auf der Fahrt war ich sprachlos, denn ich war zu beschäftigt damit die neuen Eindrücke aufzunehmen und zu verarbeiten: warmes und feuchtes Klima, strahlende und lachende Gesichter, andere Farben, aber auch: Slums, Autounfall (2 Autos standen auf dem Dach und niemand half, man fuhr einfach weiter), Strassenverkäufer die einem umzingelten sobald man anhielt. Einfach alles war anders auf den 1. Blick. Doch irgendwie verliebte ich mich sofort in Brasilien. Egal wie chaotisch und anders es hier ist und trotz der krassen Unterschiede von arm und reich.
Da ich während 2 Wochen einen Portugiesisch-Kurs besuchen werde, wohne ich bei einer Gastfamilie in Graça, einem Quartier der Mittelklasse in der Nähe von Barra. Die Familie war mir sofort sympatisch. Obwohl ich kaum Portugiesisch spreche und verstehe, sind sie sehr hilfsbereit und geduldig. Mich faszieniert die Herzlichkeit der Brasilianer und ihre Fröhlichkeit ist ansteckend.
Schon am 1. Abend ging ich in den Ausgang. Eigentlich dachte ich, dass ich nur die Schule anschauen gehe, doch schliesslich ging ich mit andern Studenten (hauptsächlich aus der Schweiz) an ein Konzert für krebskranke Kinder. Es war super. Alle tanzten und sangen mit. Ich habe brasilianische Musik schon immer gemocht, aber Live war sie noch viel besser. Auf dem Heimweg fand ich dann mein Haus nicht mehr (tja, ich und Orientierungssinn). Zum Glück war jemand dabei, der gut Portugiesisch sprach und meiner Gastfamilie anrufen konnte.
Am nächsten Tag ging ich mit meinem Gastvater zum Strand. Getraute mich fast nicht mich auszuziehen so bleich wie ich bin und umrundet von schönen und braun gebrannten Menschen. Am Strand herrschte ein reges Treiben. Es wurde geschwatzt, sich zur Schau gestellt und gleichzeitig die andern beobachtet und man konnte alles mögliche kaufen: Schmuck, Kleider, Drinks und Spezialitäten. Alles war dabei. Danach ging ich noch ins Shopping Center. Das war einfach riesig. Ein Paradies für Shopping süchtige Frauen. Für nur CHF 20.- kaufte ich mir ein Shirt und einen Jeans-Mini.
Und heute an meinem 3. Tag in Brasilien traf ich endlich Lucas wieder, den ich in Australien kennen lernte. Darauf wartete ich sehnsüchtig 9 Monate lang. Wir fuhren ein bisschen herum und sprachen... Fühlte mich schon lange nicht mehr so glücklich und vollkommen. Bin kurz davor wieder in ein Gefühlschaos zu stürzen. Aber das ist eine andere Geschichte, und dazu noch eine ziemlich lange und komplizierte...