Freitag, Dezember 15, 2006

Besuch eines Hilfprojektes in den Slums

Dank meiner Portugiesischlehrerin in der Schweiz hatte ich die Möglichkeit die "Familles de Béthanie" (Mission de la communauté du Verbe de Vie) in Lauro de Freitas (in der Nähe des Flughafens von Salvador da Bahia) zu besuchen.
Dort haben die Kinder der benachbarten Favela die Möglichkeit, das zu sein, was sie eigentlich sind: Kinder! In der Kinderkrippe können sie spielen, lachen und lernen auch, wie man einander anständig behandelt und respektiert. Ausserdem werden für die jungen Mütter Kurse über Babypflege und Erziehung angeboten, da die meisten Frauen unerfahren und mit ihrer Rolle als Mutter überfordert sind. Die Missionaren/innen besuchen die Familien in den Slums und laden sie ein mit ihnen die Messe zu feiern.






Ich nahm telefonisch Kontakt auf mit einer der Schwestern und sie erklärte mir den Weg und versprach mich an der Bushaltestelle abzuholen. Doch der Busfahrer wollte mich zuerst nicht aussteigen lassen, denn nach seiner Meinung war es hier zu gefährlich für mich. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich zu einem dieser wunderschönen Stränden fahren sollen, wo sich alle anderen Touristen tummeln. Doch das wollte ich nicht. Heute wollte ich eine andere Seite von Brasilien kennen lernen.






Der Empfang im Haus der Missionaren/innen war sehr herzlich. Doch irgendwie schämte ich mich ein bisschen, weil ich bin zwar katholisch, aber nicht sehr religiös und gehe selten zur Kirche. Richtig gerührt war ich, als wir zum Spielplatz gingen und sich die Kinder voller Freude auf uns stürzten. Ich war glücklich und traurig zur selben Zeit. Glücklich, diese Kinder lachen zu sehen und dass man ihnen mit einem Besuch eine solche Freude bereiten konnte, und traurig, weil ich sah unter welchen armen und miserablen Verhältnissen diese Menschen lebten.




Die Kinder sangen und tanzten für uns. Und ich verteilte fleissig Küsschen und Umarmungen, weil sie ständig "Beijos" verlangten. Ach, war das schön und berührend. Doch nicht alle Kinder waren so offenherzig. Einige beobachteten mich mit Vorsicht oder gingen auf Abstand. Eine Missionarin erzählte mir, dass einige Kinder in ihrer Familie misshandelt werden. Es ist schwierig für sie jemandem vertrauen zu können.



Wir liefen mit den Kindern durch die Favela und besuchten einige Familien. Viele Frauen leben mit ihren ca. 10 Kindern auf engsten Raum in einem Haus. Oft hat sich der Mann / die Männer schon lange davon gemacht und die Frau mit den vielen Kindern im Stich gelassen. Leider müssen einige Mädchen und Frauen als Prostituierte arbeiten und werden von den Freiern schwanger. Eine 22-jährige Frau hat schon 5 Kinder, das älteste ist 9 Jahre alt. Man sieht den Menschen an, dass sie schon viel durchgemacht haben in ihrem Leben. Die wenigsten haben eine Arbeitsstelle, viele Mütter schicken ihre kleinen Kinder in die Stadt zum Betteln und Arbeiten.











Viel Spass machte den Kindern meine Digitalkamera. Sie stellten sich in Pose und wollten fotografiert werden. Natürlich wussten sie, dass sie sich danach selber bestaunen können. Davon konnten sie gar nicht genug kriegen. Sie führten mich voller Stolz zu ihrem Haus und fragen mich, ob ich ein Foto davon machen könnte.






Dieser Nachmittag war ein ganz besonderes Erlebnis. Ich fühlte mich verwirrt, als ich den Kindern zum letzten Mal ein Beijo gab und mich verabschiedete. Ich konnte zurückgehen in eine Welt voller Luxus, wo ich beschützt bin, wo ich mit Respekt behandelt werde, wo ich nicht jeden Tag ums Überleben kämpfen muss, wo ich Essen und Trinken im Überfluss habe, wo ich als junge Frau die Möglichkeit habe eine Ausbildung zu absolvieren und zu arbeiten.




Vieles, wovon diese Menschen nur träumen können, denn sie müssen dort bleiben wo sie sind. Und trotzdem begrüssten sie mich "die Fremde" herzlich, beschenkten mich mit selber gemachten Wassereis und manchmal hatte ich sogar das Gefühl, dass ich hier auf mehr lachende Gesichter treffe als auf Schweizer Strassen.

Brasilien ist für mich als Touristin das Paradies, aber für viele Einheimische die Hölle.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Hallo!

Ich lese mich gerade durch deinen Blog. Er ist sehr interessant und unterhaltsam. Dieser Eintrag hat mich besonders berührt. Man kann es sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wenn man so was noch nie gesehen hat...

Grüessli Alltagschaos.blueblog

4:29 PM  

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